Der Tagesaufenthalt an der ehemaligen Wartburgschule hat seinen Betrieb eingestellt. (Foto: Brzonkalik)

Keine zusätzlichen Mittel: Tagestreff stellt Betrieb ein

Nachdem der Tagesaufenthalt für Wohnungslose im Herbst noch in die Verlängerung gegangen war. ist nun endgültig Schluss. Der Betrieb wurde eingestellt - wohl auch, weil die finanziellen Mittel fehlen.

Der Tagesaufenthalt für wohnungs- und obdachlose Menschen an der Von-Esmarch-Straße in Münster ist endgültig geschlossen. Am 31. März dieses Jahres stellte der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Münster den Betrieb in der Sporthalle der ehemaligen Wartburg-Hauptschule wie geplant ein. Wie die Stadt erklärt, habe das vor allem finanzielle Gründe. 

Das Angebot habe sich im Laufe der Zeit von einer wettergeschützten Anlaufstelle für wohnungslose Menschen in Münster während der Pandemie zu einem festen Bestandteil der Hilfslandschaft auch für Menschen in prekären Wohn- und Lebenssituationen entwickelt, sagte ASB-Fachbereichsleiter Karsten Berndt. „Viele Menschen haben hier genau die Unterstützung gefunden, die sie aktuell benötigten.“ Neben einer warmen Mahlzeit sei das „vor allem soziale Nähe“ gewesen.

Bedarf an niedrigschwelligen Angeboten

Die Verwaltung hatte den Tagesaufenthalt während der Corona-Krise unter anderem deshalb ins Leben gerufen, weil die regulären Angebote pandemiebedingt geschlossen hatten und das vorherige Ersatzangebot am Albersloher Weg ebenfalls beendet werden musste. Ursprünglich hätte der Betrieb an der Wartburgschule bereits zum 31. August des vergangenen Jahres eingestellt werden sollen. Nach Kritik aus der Politik und von den Sozialeinrichtungen wurde dieser jedoch ab Oktober weiter fortgesetzt. Beim ASB bedauert man nun die Schließung des Tagesaufenthaltes sehr.

In den vergangenen Monaten sei deutlich geworden, „dass der Bedarf an einem derartigen niedrigschwelligen und akzeptierenden Angebot in Münster groß ist“, sagte Berndt. Es brauche ein Angebot, „das sich nicht explizit an wohnungslose Menschen richtet, sondern auch und insbesondere an von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen, Menschen in prekären Wohn- und Lebenssituationen, Menschen, die einsam sind und Menschen, die arm sind“.

Viele Besucher*innen ohne festen Wohnsitz

Durchschnittlich 34 Personen pro Tag besuchten nach Angaben des ASB den Tagesaufenthalt, an den Wochenenden waren es bis zu 45 Personen. Seit Oktober 2021 kamen insgesamt knapp 6.000 Besucher*innen zum Treff an der Von-Emscher-Straße.

Etwa ein Drittel der Besucher*innen war nach Angaben des ASB ohne festen Wohnsitz beziehungsweise wohnungslos. Zwei Drittel kamen aus prekären Lebenslagen, zum Beispiel aus der Grundsicherung, sind Rentner*innen an der Armutsgrenze und von Einsamkeit bedrohte Personen. Es seien weiter und neue Bedarfe sichtbar geworden, so Berndt – für Menschen, die von Einsamkeit bedroht sind, sich in prekären Wohn- und Lebenssituationen befinden oder andere Bedürfnisse haben.

Stadt: Keine Mittel für Fortführung

Warum aber schließt der Tagesaufenthalt, wenn doch der Bedarf vorhanden zu sein scheint und es an Alternativangeboten mangelt? Die Stadt habe laut Berndt die Rückmeldung gegeben, dass eine längere Nutzungsdauer der Immobilie nicht möglich gewesen sei und erklärt, die Sporthalle der ehemaligen Wartburgschule habe an den Käufer der Immobilie übergeben werden müssen. Darüber hinaus sei es nicht gelungen, alternative Räumlichkeiten zu finden.

Dem widerspricht die Verwaltung. Das Gebäude der ehemaligen Wartburgschule sei noch nicht an den neuen Eigentümer, die „Lidl Vertriebs GmbH & Co KG“, übergeben worden, hieß es Anfang April. „Dies soll im Oktober 2022 erfolgen.“ Stattdessen heißt es vonseiten der Stadt: „Am 31. März 2022 endete die Finanzierung des Angebots. Mittel für eine Fortführung stehen nicht zur Verfügung.“

35.700 Euro monatliche Kosten

Bisher, so steht es in einem fraktionsübergreifenden Antrag aus dem vergangenen Jahr, hatte die Stadt den ergänzenden zentralen Tagestreff aus Corona-Mitteln finanziert. Demnach kostete das Angebot an der Von-Esmarch-Straße die Stadt 35.700 Euro pro Monat oder auf ein Jahr gerechnet etwa 428.400 Euro. Eine Fortführung über den 31. März hinaus hätte die Stadt für das Jahr 2022 demnach zusätzlich circa 321.300 Euro gekostet. 

Der ASB will sich nun verstärkt dafür einsetzen, vergleichbare Angebote zu entwickeln und in den Quartieren umzusetzen. Und die Verwaltung erklärt, man wolle die gemachten Erfahrungen dafür nutzen, „um mit den Begegnungsstätten, Begegnungszentren, Stadtteilzentren, Wohlfahrtsverbänden sowie den Projektträgern „Altengerechte inklusive Quartiersentwicklung“ gemeinsam Möglichkeiten für eine bedarfsgerechte Gestaltung und Erweiterung von Angeboten des Tagesaufenthalts prüfen.

Die CDU-Ratsfraktion sieht nach der Schließung weiteren Bedarf für eine solche Obdachlosenhilfe. „Ein runder Tisch von Stadtverwaltung, Politik und Trägerorganisationen kann hilfreich sein“, so Ratsherr Tobias Jainta, sozialpolitischer Sprecher der CDU-Ratsfraktion. Auch Harald Wölter von den Grünen spricht sich dafür aus, das Thema nicht aus den Augen zu verlieren. „Ich denke aber, dass wir den Blick dabei eher auf die Stadtteile richten müssen“, sagte er auf Anfrage.

Menschen vor Ort abholen

Die Verwaltung spricht sich ebenfalls dafür aus, in diese Überlegungen vor allem die bestehenden Begegnungsangebote in den Stadtteilen und Quartieren in den Blick zu nehmen. Ziel müsse es sein, Menschen dort abzuholen und sie dort zu unterstützen.

Die durch den Tagesaufenthalt gewonnenen Erfahrungen will die Verwaltung nun nutzen, „um mit den Begegnungsstätten, Begegnungszentren, Stadtteilzentren, Wohlfahrtsverbänden sowie den Projektträgern ‚Altengerechte inklusive Quartiersentwicklung‘ gemeinsam Möglichkeiten für eine bedarfsgerechte Gestaltung und Erweiterung von Angeboten des Tagesaufenthalts zu prüfen. „Es geht um Überlegungen, Teile dieser Begegnungsangebote für Menschen in Armut, prekären Lebenslagen oder Vereinsamung zu öffnen“, so die Stadt.

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