Foto: Tilman Dominka

Wie das Hansaforum den Wandel im Hansaviertel vorantreibt

Das Hansaforum will eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung vorantreiben und den Viertelmenschen, also denjenigen, deren Lebensmittelpunkt das Hansaviertel ist, die Gelegenheit geben, ihren eigenen Wohnort aktiv mitzugestalten.

Wer schon einmal durch das Hansaviertel in Münster gelaufen ist, dem dürften die auffälligen Flyer und Plakate in Blau und Magenta unweigerlich ins Auge gefallen sein. Seit 2019 prägen die knalligen Farben das Viertel südöstlich der Altstadt zwischen Hafen und Bahnhof und versuchen möglichst viele Anwohner*innen auf das Hansaforum aufmerksam zu machen.

Das Hansaforum will eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung vorantreiben und den Viertelmenschen, also denjenigen, deren Lebensmittelpunkt das Hansaviertel ist, die Gelegenheit geben, ihren eigenen Wohnort aktiv mitzugestalten. „Sie sollen darüber entscheiden, was hier passiert und entsteht“, sagt Projektmanagerin Leonie Nienhaus. „Denn wenn ich mein direktes Lebensumfeld mitgestalten kann, dann fühle ich mich dort auch zugehörig und zu Hause.“

In der B-Side enstanden

Entstanden ist das Hansaforum in der B-Side, deren GmbH auch die Trägerin des Projekts ist. Als Pilotquartier der Nationalen Stadtentwicklungspolitik „Stadt gemeinsam gestalten! Neue Modelle der Quartiersentwicklung“ hat das Forum 700.000 Euro Fördergelder zur Verfügung gestellt bekommen. 250.000 Euro davon fließen direkt in Projekte – allerdings nur noch bis Ende dieses Jahres. Wie es danach weitergeht, ist derzeit noch offen. Wir haben Leonie und Fabian, der Projektlotse beim Hansaforum ist, getroffen, um mit ihnen durchs Viertel zu spazieren und über das Projekt zu sprechen.

Startpunkt für unseren Spaziergang ist die Hansa-Bude an der Dortmunder Straße 25 im Herzen des Hansaviertels. Gleich gegenüber, an einem Baum, hängt seit anderthalb Jahren ein kleines Vogelhäuschen, eines der ersten Projekte des Forums. „Die Idee stammt von Kiki“, sagt Leonie „In diesem Jahr sind erstmals Meisen eingezogen, und das ist wunderschön zu sehen.“ Und es macht deutlich: Die Projektideen, die beim Hansaforum eingereicht werden, können genauso klein wie groß sein.

draußen!: Wir stehen hier an der Hansa-Bude. Wie wichtig ist sie für das Hansaforum?
Leonie: Für uns ist es enorm wichtig, dass wir hier im Viertel präsent und ansprechbar sind. Die Hansa-Bude dient dabei als Anlaufstelle für alle, die mit uns in Kontakt treten, Ideen einreichen oder sich über bereits geförderte Projekte informieren wollen. Gleichzeitig sind wir aber auch Ansprechpartner für viele Menschen vor Ort, die uns erzählen, was sie im Viertel bewegt.

Ihr habt euch zum Ziel gesetzt, das Viertel mitzugestalten und lebenswerter zu machen. Fangen wir mal ganz vorne an: Wenn ich eine Idee habe, komme ich damit einfach zu euch?

Leonie: Genau, entweder meldest du dich direkt bei uns in der Hansa-Bude, du kannst aber auch anrufen oder eine E-Mail schreiben.

Fabian: Viel funktioniert auch über Mundpropaganda – beispielsweise von Nachbarin zu Nachbarin. Grundsätzlich werden Projektideen über ganz unterschiedliche Wege weitergetragen.

„Wichtig ist, dass die im Viertel vorhandenen Ressourcen zusammengebracht werden.“

Leonie, Hansaforum

Leonie: Das Thema Vernetzung spielt dabei eine gewichtige Rolle. Sei es über das Hansaforum oder aus den Projekten entsprungene Plattformen wie zum Beispiel dem Runden Tisch „Grüne Oasen“, der sich an diejenigen richtet, die Spaß daran haben, unser Viertel noch grüner zu machen. Wichtig ist, dass die im Viertel vorhandenen Ressourcen zusammengebracht werden und an einem Projekt beteiligte Menschen oder Institutionen in einen Austausch treten.

Fabian: Wenn diejenigen, die eine Projektidee haben, als Teil des Hansaforums oder über „Grüne Oasen“ auftreten, hilft das zudem in vielen Belangen. Man erzielt beispielsweise bei der Stadt eine ganz andere Wirkung, als wenn man dort als Privatperson auftritt und erklärt, man würde gerne etwas vor der eigenen Haustür machen.

Gleichzeitig können neue Projektinitiatoren von den Erfahrungen derer, die bereits Ideen umgesetzt haben, profitieren …

Fabian: Man lernt viel durch den Kontakt zu anderen. Wenn man durchs Viertel läuft und Grünflächen, Nistkästen oder was auch immer sieht, entsteht bei vielen oft der Wunsch, selbst so etwas zu machen. Nur stellen sich dabei eben die typischen Fragen: Darf ich das überhaupt? Welche Fallstricke gibt es? An wen muss ich mich wenden? Das Forum oder die Netzwerke können da schnell und unkompliziert helfen.

Scheitern viele gute Ideen deshalb womöglich schon im Vorfeld, weil viele gar nicht wissen, wen sie ansprechen sollen, wo sie vielleicht einen Antrag stellen müssen oder wie ein Finanzplan ausgearbeitet wird?

Leonie: Viele haben in der Regel kaum oder gar keine Berührungspunkte mit solchen Inhalten. Kiki ist da ein ganz gutes Beispiel mit ihren Nistkästen. Sie kam eines Tages in die Hansa-Bude und erzählte von ihrer Idee, sagte aber gleichzeitig, dass ihr der Mut fehle, das Projekt alleine umzusetzen. Mithilfe unserer Projektlots*innen, die eng mit den Initiatoren zusammenarbeiten und eine dauerhafte Begleitung gewährleisten, konnten wir dem entgegenwirken. Das hat ihr ungemein geholfen. Und dann hat Kikis Mutter mit 72 Jahren sogar mitgemacht und das erste Mal eine Stichsäge in der Hand gehalten, um mitzuwerkeln (lacht).

Nachdem Leonie und Fabian mit Kikis Nistkästen bereits ein erstes Projekt angesprochen haben, ist es an der Zeit, sich ein Bild von der Vielfalt der Projekte im Viertel zu machen. Etwa 60 Ideen hat das Hansaforum bislang unterstützt – darunter Projekte wie ein Werkstattlastenrad, eine Wassertanke oder die Naschinsel. Der Umfang der Förderung eines Projektes liegt jeweils zwischen 25 und 25.000 Euro. Das bislang größte Projekt ist derzeit noch in Arbeit: das Hansafloß, das als Begegnungsstätte, Kulturzentrum, Diskussionsforum und Raum sozialer und politischer Teilhabe für das Hansaviertel dienen soll. Inzwischen gibt es sogar einen Liegeplatz im Hafen. Wir gehen unterdessen los und lassen die Hansa-Bude hinter uns und machen uns auf den Weg in Richtung Spielplatz an der Elisabethkirche. Hier, rund hundert Meter entfernt, befindet sich ein Staudenbeet und Wildblumenbeet, das mehr Farbe ins Viertel bringen soll.

Fabian: Das Projekt ist im vergangenen Jahr gestartet, mittlerweile ist ein richtig buntes Beet daraus geworden. Allerdings musste es zuletzt umgestaltet werden, weil die Gefahr bestand, dass Kinder Steinchen in den Mund nehmen und verschlucken könnten. Deshalb darf hier kein Kies ausgebracht werden.

Ist Begrünung ein typisches Thema bei der Gestaltung des Viertels?

Leonie: Die Corona-Pandemie hat ein Bewusstsein dafür geschaffen, tendenziell erstmal in der eigenen Wohnung zu bleiben. Und entsprechend schön ist es da, vor der eigenen Haustür eine Baumscheibe, also Grünflächen, vorzufinden und sich um diese zu kümmern. Die Nutzung rein von verwaltungstechnischer Seite her ist dabei übrigens sehr niedrigschwellig, weil das Grünflächenamt diesen Dingen sehr offen gegenüber steht und sie zu mehr Klimaschutz führen. Das hat dazu geführt, dass wir heute eine viel größere Diversität an Pflanzen und in der Folge mehr unterschiedliche Insekten im Quartier haben.

Fabian: Es geht dabei nicht allein um Beete wie dieses hier, sondern zum Beispiel auch um Nistkästen, Gärten oder „Lebendige Balkone“, bei denen Anwohner*innen ihre Balkone mit dekorativen und zugleich insektenfreundlichen Pflanzen bestücken können. Über solche Projekte ist auch die „Grüne Oase“ entstanden, über die sich unterschiedliche Gruppen zusammengeschlossen haben und sich regelmäßig austauschen. Ich bin übrigens selbst über ein Projekt zum Forum gekommen.

Was hast du gemacht?

Fabian: Mit dem Verein BlattBeton haben wir damals das Urban-Gardening-Projekt „Fit für den Frühling“ am Bennohaus initiiert. Aus alten Paletten haben wir Hochbeete gebaut und darin Obst und Gemüse angepflanzt. Das war eines der ersten Projekte, die überhaupt eingereicht worden sind. So bin ich beim Forum hängen geblieben und bin mittlerweile Lotse.

„Wenn die Menschen im Viertel selbst aktiv und Teil des Projektes werden, dann werden die Grenzen durchlässig und unser Projekt macht sich irgendwann überflüssig.“

Leonie, Hansaforum

Leonie: Das ist meiner Meinung nach ein ganz wichtiger Punkt: Das Viertel besteht aus einer Vielzahl an Menschen, die es – vielleicht sogar dauerhaft – mit einzubeziehen gilt. Denn wenn die Menschen im Viertel selbst aktiv und Teil des Projektes werden, dann werden die Grenzen durchlässig und unser Projekt macht sich irgendwann selbst überflüssig. Was letztlich der Sinn der Sache ist.

Wir setzen unseren Spaziergang fort und passieren die ehemalige Elisabethkirche, die mittlerweile zur Sporthalle der nahegelegenen Montessori-Schule umfunktioniert worden ist. Als Leonie einen Zettel an einem Baum entdeckt, halten wir kurz an. Es handelt sich um einen Aufruf des ImpulsWerks Münster für eine Familienrallye durch das Viertel. Dieser „Bewegte Sonntag“ ist ebenfalls ein gefördertes Projekt des Hansaforums.

Leonie: Das ist eine super schöne Veranstaltung, die immer sonntags stattfindet und über die Familien mit ihren Kindern das Viertel spielerisch erkunden können. Beim Hansaforum gehen wir mittlerweile bei unseren Konventen selbst aktiv durchs Viertel, um es anders als herkömmlich zu nutzen. Hier auf dem Vorplatz der Elisabethkirche haben wir zum Beispiel während des Konvents die Frage gestellt, warum man gerne im Hansaviertel lebt. Die Teilnehmenden haben dann – wie die Kinder vom Spielplatz oder der Kita – mit Kreide ihre Gründe auf den Boden geschrieben.

Stichwort Hansa-Konvent: Dies ist das zentrale, demokratische Element des Hansaforums. Hier wird gemeinsam über die Entwicklung im Viertel gesprochen und festgelegt, welche Werte und Ziele dahingehend wichtig sind. Pro Jahr finden zwei Konvente statt. Eingeladen werden 200 zufällig ausgewählte Menschen aus dem Viertel. Aus den Ergebnissen der ersten beiden Konvente in 2019 entstand auch der Quartier-Gemeinwohl-Index (QGI), der anzeigt, was sich Menschen aus dem Hansaviertel für ihren Stadtteil wünschen und der die wesentliche Entscheidungsgrundlage für die Förderung von Projekten darstellt. Aktuell umfasst er 16 Punkte wie Klimapositivität, Wohnen, Grünflächen oder Begegnungsorte. Für uns geht es nun weiter. Wir laufen entlang der Dortmunder Straße bis zur Schillerstraße.

Wie schwierig ist es, bei einer Projektidee am Ende auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen?

Leonie: Der QGI hilft da enorm, weil er so viele unterschiedliche Ansichten vereint und man ein ganz gutes Gefühl dafür entwickelt, was für das Gemeinwohl im Hansaviertel wichtig ist. Es geht grundsätzlich erstmal darum, sich auf Augenhöhe und mit gegenseitigem Respekt zu begegnen und Dinge gemeinschaftlich zu gestalten. Dinge, die wichtig für das Viertel sind. Wenn eine Idee nur zwei Menschen zugutekäme, wäre diese nicht geeignet.

Fabian: Ein Insektenhotel oder der Gemüseanbau auf dem eigenen Balkon wären zwar sehr nachhaltig, aber eben auch sehr individuell. So etwas sollte man dann lieber selbst finanzieren.

„Das Hansa-Gremium ist soziokratisch aufgebaut. Das heißt: Jede Stimme hat gleich viel Gewicht und jeder kommt zu Wort, und was gesagt wird, ist zunächst einmal Personen ungebunden.“

Leonie Nienhaus, Hansaforum

Leonie: Letztlich wird immer von Projekt zu Projekt entschieden. Es gibt zum Beispiel das Projekt Kleinheim, das wohnungslose Menschen erreichen und diesen ein Mindestmaß an Privatsphäre und einen sicheren Platz zum Schlafen ermöglichen soll. Das ist ein Projekt, das zwar nicht allen Menschen im Viertel zugutekommt, aber doch einigen, die eben auch in diesem Quartier vertreten sind und die Unterstützung benötigen. Die Entscheidung, welche Projekte infrage kommen und gefördert werden, fällt dann letztlich im Hansa-Gremium.

In dem Gremium sitzen auch Vertreter*innen der Stadtverwaltung und der Ratsfraktionen. Wie ist der Austausch?

Leonie: Es ist ein guter Austausch, und er hilft, weil auf diesem Weg ein breites Meinungsbild entsteht. Diese Perspektivenvielfalt, die ja eine gewisse Schwarmintelligenz abbildet, ist unheimlich wertvoll und bereichernd. Was aber ganz wichtig ist, ist die Grundhaltung, mit der wir das Gremium führen. Es ist soziokratisch aufgebaut. Das heißt: Jeder wird respektiert. Jede Stimme hat gleich viel Gewicht und jeder kommt zu Wort, und was gesagt wird, ist zunächst einmal Personen ungebunden.

Das Hansa-Gremium setzt sich aus acht Viertelmenschen, jeweils einem/einer Vertreterin der gewählten Ratsfraktionen, einem/einer Verwaltungsmitartbeiterin sowie dem Geschäftsführer der B-Side GmbH zusammen und trifft sich alle zwei Monate an einem Runden Tisch. Hier fällt nicht nur die Förderentscheidung über kleine und mittlere Projekte. Der Runde Tisch sichtet auch Anträge großer Gemeinwohlprojekte zwischen 2.500 und 25.000 Euro, über deren Förderung anschließend auf dem Hansa-Konvent abgestimmt wird. Als wir die Ecke Dortmunder Straße/Schillerstraße erreichen, entdecken wir erneut eine kleine, bepflanzte Grünfläche, die allerdings kein Projekt des Hansaforums ist, sondern vom Amt für Grünflächen unterstützt wird.

Wie würdet Ihr das Hansaviertel am ehesten beschreiben?

Leonie: Es ist ein sehr bewegtes Viertel, allein schon durch die Veränderungen des Hafens – einerseits auf struktureller Ebene, aber auch durch den Wandel hin zu hochpreisigen Wohnungen und Büroflächen. Der Begriff Gentrifizierung beschäftigt uns dabei seit Längerem, weil durch die Gestaltung des Viertels eben auch Geld in dieses rein fließt. Das mag einen Gentrifizierungsprozess zwar nicht automatisch anstoßen, aber zumindest kann er diesen begünstigen.

„Klar: Wenn man das Viertel immer weiter aufwertet, ist das nun mal leider ein Argument dafür, die Mieten zu erhöhen.“

Fabian, Hansaforum

Wie groß seht ihr das Problem im Viertel?

Fabian: Das ist in ganz Münster ein riesiges Problem. Und klar: Wenn man das Viertel immer weiter aufwertet, den öffentlichen Raum attraktiver gestaltet, ist das nun mal leider ein Argument dafür, die Mieten zu erhöhen. Denn ein grünes, familienfreundliches Viertel mit schönen Plätzen hebt den Wert dieses Raums.

Leonie: Wohnen ist daher auch ein wichtiges Thema des Quartier-Gemeinwohl-Indexes, in dem festgehalten ist, dass möglichst viele Menschen hier zu bezahlbaren Preisen leben können. Das ist eine der Visionen des QGI, und das wurde von Anfang an mit auf die Agenda gesetzt.

Aber steckt ihr da nicht in einem gewissen Zwiespalt? Einerseits verfolgt ihr das Ziel, das Viertel schöner und lebenswerter zu machen, andererseits wird der Wohnraum durch die Aufwertung teurer …

Leonie: So kausal sehe ich den Zusammenhang gar nicht. Unser Ziel ist im Prinzip, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass man Stadt selbst mitgestalten kann – und zwar gemeinsam und auf eine gemeinwohlorientierte Art und Weise. Wir praktizieren dabei eine Form von direkter Demokratie, treffen also gemeinsam Entscheidungen. Und genau das gilt es zu fördern. Denn wenn man sich die langfristigen, thematischen Herausforderungen anschaut, die uns zum Beispiel mit dem Klimawandel begegnen, dann kann man diese vor allem vor der eigenen Haustür lösen. Die Stadt an sich ist da in ihrer Gesamtheit fast schon zu komplex. Indem man sich aber den Raum vor der eigenen Haustür aneignet, mitgestaltet und durch demokratische Prozesse entscheidet, was hier passiert, macht man Quartiere lebenswerter. Natürlich bedeutet das im Umkehrschluss, dass es die angesprochenen Strömungen gegebenenfalls begünstigt, aber darauf haben wir keinen Einfluss. Wenn wir etwas machen können, dann besteht es darin, die Menschen im Viertel dazu zu ermutigen, aktiv zu werden.

Fabian: Es darf ja auch nicht ein Argument dafür sein, hier nichts mehr umsetzen zu wollen. Man muss dem eher an anderen Stellen entgegenwirken, vielleicht durch Zusammenschlüsse, über die man in der Folge etwas gegen Vermieter oder Investoren unternimmt oder über die Politik.

Ist gerade Münster mit vielen jüngeren Menschen und Studierenden prädestiniert für ein solches Projekt?

Leonie: So pauschal würde ich das nicht sagen. So etwas funktioniert auch in anderen Städten. Altenburg in Thüringen zum Beispiel ist ein Pilotprojekt, das auch viele Ältere erreicht. Die sind wahnsinnig erfolgreich, indem sie gemeinsam mit den Menschen aus der Stadt Projekte umsetzen und diese dazu anregen, Altenburg bunter zu machen. Aber klar: Hier wohnen sehr viele junge Menschen, die sich entsprechend auch bei uns einbringen. Aber genauso gibt es eine ältere Fraktion wie auch Menschen mit Migrationsgeschichte. Diese noch mehr mit einzubeziehen, ist unser Ziel.

Neben Münster gehören auch die Initiative „Gesellschaft für außerordentliche Zusammenarbeit“ aus Hannover, „QU1 – Eine U-Bahnlinie als koproduktives Quartier“ aus Nürnberg und „Stadtmenschen“ aus Altenburg zu den insgesamt vier Pilotprojekten, die von 2019 bis 2021 durch die Nationale Stadtentwicklungspolitik gefördert werden. Die Nationale Stadtentwicklungspolitik ist eine Gemeinschaftsinitiative von Bund, Ländern und Kommunen. Die Umsetzung wird durch das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung begleitet und anschließend ausgewertet. Wir erreichen inzwischen den Hansaplatz, an dem sich das Hansaplätzchen befindet – eine von Bürger*innen gestaltete kleine Bank mit einem kleinen Garten.

Leonie: Das Hansaplätzchen ist eine Station unseres Wirkungsspaziergangs – das ist ein selbst gesteuerter Spaziergang, bei dem wir die Teilnehmer*innen fragen, was sich im Viertel durch das Hansaforum verändert hat und anhand welcher QGI-Ziele man das erkennen und spüren kann. Denn wir möchten nichts machen, was nichts verändert.

Fabian: Man lernt seine Nachbarn kennen und viele gute Ideen. Und dann wird man begeistert, weitere Ideen umzusetzen. Das ist ein unsichtbares Band, das die Leute verbindet.

Nach einer kurzen Pause am Hansaplätzchen geht es entlang des Hansarings weiter in Richtung Innenhof beim ExKaffee, wo Fabian und Leonie ein weiteres Projekt vorstellen möchten: die Wassertanke. Anschließend machen wir uns auf den Rückweg zur Hansa-Bude.

Leonie: Die Wasserauffangstationen von Henning, der mittlerweile in einer anderen Stadt lebt, sind wirklich toll. Eine Wassertanke ist ein Wasserspeicher auf der Straße, der die Regenrinnen anzapft. Und das hat auf Quartiersebene solche Auswirkungen, dass sein Uni-Professor ihn zum Bleiben überreden und daraus ein großes Projekt machen wollte.

„Unser Ziel ist es, eine Grundstruktur aufzubauen und wir arbeiten daran, dass es in irgendeiner Form weitergehen kann.“

Leonie, Hansaforum

Was macht es so besonders?

Leonie: Wenn die Pflanzen wie zum Beispiel im vergangenen Jahr infolge der Hitze enorm an Wasserdurst leiden, kann man die Beete und Pflanzen vor Ort viel besser versorgen. Zumal die Bewässerungswagen des Grünflächenamts durch manche Straßen gar nicht mehr durch passen. Diese Projektidee hat breite Auswirkungen auf die städtische Infrastruktur.

Ende Oktober laufen die Projekte aus, das Hansaforum Ende des Jahres – wie geht es danach weiter?

Leonie: Grundsätzlich würden wir das Hansaforum gerne weiterlaufen lassen. Denn wir sind ja nicht mehr allein die Initialzündung, sondern es sind mittlerweile zahlreiche Menschen involviert. Unser Ziel ist es, eine Grundstruktur aufzubauen und wir arbeiten daran, dass es in irgendeiner Form weitergehen kann.

Wie kann das aussehen?

Leonie: Derzeit beschäftigen wir uns sehr mit dem Thema Verstetigung, die es vereinzelt ja bereits gibt. So wurden Vereine gegründet, es gibt die Grüne Oase, einen Stammtisch, die Fahrradkaravane. Nun stellt sich auch die Frage, wie eine solche Verstetigung von städtischer Seite her aussehen könnte. Denn wir würden die Stadt gerne mit in die Verantwortung nehmen.

Gibt es denn andere Finanztöpfe, die man abschöpfen könnte?

Leonie: Vonseiten der Nationalen Stadtentwickungspolitik gibt es immer wieder Projektaufrufe und Förderungen. Auch das Schaffen eines Bürgerhaushaltes ist eine Überlegung. Das müsste dann wiederum mit der Stadt besprochen werden. Es ist aber auch so, dass die B-Side mit dem alten Hill-Speicher auch weiterhin einen Bezugspunkt bildet. Aber damit das nicht noch on top kommt auf die Entwicklung des Hauses und des Quartierszentrums, schauen wir gerade, was wir noch tun können.

Von Oliver Brand

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