Äni(x)Väx

Nach 32 Jahren: Äni(x)Väx veröffentlichen Album auf Vinyl

Fast 33 Jahre nach ihrer Trennung veröffentlicht die Punkband Äni(x)Väx aus Münster ein Vinyl-Album. Warum ausgerechnet jetzt, hat uns Sänger Adam Riese im Interview verraten. Ein Gespräch über alte Kassettenaufnahmen, Skandale und einem Eimer als Schlagzeug.

In den 80er-Jahren galten sie eigenen Angaben zufolge als „skandalöseste Punkband Münsters“: Äni(x)Väx (spricht sich Änimälwäx). Die Musik der Gruppe wurde auf fünf Samplern und zahlreichen Kassetten veröffentlicht. Eine eigene LP gab es dagegen nie. Das hat sich nun geändert. Am 14. Mai, mehr als 32 Jahre nach dem letzten Konzert der Band, erschien erstmals ein Album der Band auf Vinyl. „Schock und Drama“ wird zunächst in einer Auflage von 500 Stück und mit einem umfangreichen Booklet veröffentlicht. Wir haben mit Äni(x)Väx-Sänger Adam Riese darüber gesprochen.

draußen!: Adam, ihr wart damals auf Samplern vertreten, habt eine Kassette aufgenommen, aber nie eine eigene Platte – warum eigentlich nicht?

Adam Riese: Heute hat fast jeder eigenes Aufnahmeequipment zu Hause, das es einem ermöglicht, ein Album aufzunehmen und es über verschiedene Kanäle zu verbreiten. Aber damals war das weitaus schwieriger. Und wir waren zudem so naiv zu glauben, dass jemand kommt und uns Geld für eine Schallplattenproduktion gibt. Nur ist halt nie einer gekommen.

Jetzt gibt es doch ein Album …

Thomas Lenz vom Label „Power It Up Records“ hat mich vor einiger Zeit angerufen und mir gesagt, er wolle ein Album von Äni(x)Väx veröffentlichen. Ich dachte, er verarscht mich, aber es war sein Ernst. Also haben wir nach Material gesucht und das Brauchbarste zusammengestellt.

Wie tief musstet ihr graben, bis ihr die alten Sachen wiedergefunden habt?

Schon ein wenig tiefer. Zumal es nur die alten LP-Sampler und Kassetten-Aufnahmen gab. Am Ende fehlte allerdings ein Tape mit der Live-Aufnahme von unserem Abschiedskonzert im Odeon. Davon wollte ich einen Track unbedingt dabei haben. Also habe ich rumgefragt, bis sich eine Freundin aus Köln gemeldet hat. Sie hatte die Kassette und hat sie mir geschickt.

Wie fühlt es sich an, dass es nach mehr als 30 Jahren nun ein Album gibt?

Das ist großartig weil es so ein bisschen ein vergessener Jugendtraum ist. Es hat schon etwas Magisches, wenn man die LP tatsächlich das erste Mal auspackt und in den Händen hält. Vor allem, weil auch das Ergebnis wirklich toll ist. Die Leute im Studio haben aus den alten Aufnahmen, die ja auch schon dreißig, vierzig Jahre rumgelegen haben, erstaunlich viel rausgeholt. Auch die Covergestaltung und das Booklet sind ganz wunderbar geworden.

Was hat euch damals überhaupt bewegt, gemeinsam Musik zu machen?

Als wir 13, 14 waren, haben wir Punk entdeckt. Das Schöne daran war, dass damals jeder mitmachen konnte. Und praktisch jeder, der etwas auf sich hielt, hat eine Band gegründet. Wir hatten vor Äni(x)Väx auch andere Bands. Aber das war alles sehr rudimentär. Da hat ein Bassist auch schon mal nur auf einer Seite gedudelt oder im Proberaum fehlte ein Schlagzeug, sodass der Drummer auf Eimern spielen musste. Das wurde im Laufe der Zeit besser, und 1984 haben wir dann mit den fähigsten Leuten Äni(x)Väx gegründet.

Waren die 80er-Jahre nicht ohnehin die beste Zeit, eine Punkband zu gründen?

Auf jeden Fall. Heute gibt es sicherlich einfachere Möglichkeiten, die eigene Musik zu verbreiten. Aber aufregender war es damals. Zumal Punk allgemein mittlerweile kein so großer Aufreger mehr ist.

Damals schossen in Städten wie Düsseldorf, Hamburg oder Berlin zahlreiche Punkbands wie Pilze aus dem Boden. Wie war das in Münster?

Überschaubar. Natürlich gab es hier noch andere Bands wie Anormal Null, R.A.F.Gier oder Rüpel. Aber das war kein Vergleich zu Düsseldorf, das in den 80er-Jahren ein Schmelztiegel für Punkmusik war. Dafür waren die Bands von hier in Münster eben etwas Besonderes. In Düsseldorf wären wir vielleicht untergangen.

„Punk war damals aufregender. Zumal Punk allgemein mittlerweile kein so großer Aufreger mehr ist.“

Adam Riese, Sänger Äni(x)Väx

Wie siehst du Punk heute?

Ich höre die Musik, dieses raue Spiel immer noch gerne. Und ich fahre auch noch auf Konzerte und schaue mir das an. Die Donots, die ja auch in Münster groß geworden sind, sind da ein schönes Beispiel. Wenn man ihren Gitarristen Guido auf der Bühne spielen sieht, ist das schon toll. Der hat noch immer diese raue Punk-Attitüde von früher, während viele andere Punkbands heute eher brav auf der Bühne stehen, dafür aber ihre Instrumente nahezu perfekt beherrschen. Guido spielt auch super, bietet dazu aber eine Show, als wäre der Punk gerade erst geboren

Wie war das bei euch?

Wir konnten schon irgendwie spielen, aber das war kein Vergleich zu dem, was die Bands heute drauf haben. Uns war vielmehr der Entertainment-Faktor bei den Konzerten wichtig. Die Aktionen, das Drumherum, das Bühnenoutfit, das Auftreten – da hat uns nichts gefehlt.

Gibt es Texte, die du aus heutiger Sicht lieber nicht geschrieben hättest?

Vorab: Ich schäme mich für nichts. Aber ich habe die Dinge damals teils grauenvoll formuliert. Das kann ich heute besser. Politisch sind wir nichts so sehr ins Detail gegangen. Wir hatten starke Texte gegen Rechts, haben aber auch die eigene Szene kritisiert – vor allem Sauf- und Randale-Punks, die alles kaputtgeschlagen haben. Gerne auch dort, wo gerade ein Punkkonzert stattfand, was dann dazu geführt hat, dass solche Locations solche Veranstaltungen nicht mehr angeboten haben.

Äni(x)Väx haben nach rund 32 Jahren ein Album veröffentlicht.

Ihr sagt selbst über euch, ihr seid Münsters skandalöseste Band gewesen – war es wirklich so wild?

Zumindest standen wir regelmäßig mit Geschichten in der Zeitung. (lacht) Aber wir waren schon ein Garant für eine gute Show. Da wurde mal das Odeon komplett mit Pizza eingesaut oder es gab irgendwelche spektakulären Fotoaktionen. Und natürlich bleibt das Konzert im Neuen Krug mit der anschließenden Straßenschlacht immer in Erinnerung.

Nach dem Auftritt dort gab es einen Polizeieinsatz – was war da los?

Ein paar Idioten hatten eine große Pappmaché-Figur, die wir zuvor beim Konzert verlost hatten, auf die Kreuzung Weseler Straße/Kolde Ring getragen, dort mit Benzin übergossen und angezündet. Als wir noch unsere Instrumente abgebaut haben, stand da also plötzlich eine brennende Figur auf der Straße. Als dann die ersten Polizisten auftauchten, haben ein paar betrunkene Punks sie angepöbelt, weil sie das Gefühl hatten, die Beamten hätten Angst. Nur haben die dann eben Verstärkung gerufen, die dann sogar mit Wasserwerfen angerückt kam. Da ging es hin und her und es wurden ein paar Leute festgenommen. Allerdings nicht die, die das zu verantworten hatten, sondern Leute, die eigentlich vermitteln wollten.

Wird es durch das Album noch einen gemeinsam Auftritt geben?

Nein. Es gab zwar in der Vergangenheit Anfragen wie vom Vainstream Festival in Münster. Aber wir sind überzeugt davon, dass man den Glanz der alten Tage nicht wieder hervorholen kann.

Von Oliver Brand

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